Nachdem es im ersten Teil um die Bildaussage ging, soll es nun konkret um Elemente in Deinem Bild gehen. Beginnen möchte ich mit dem kleinsten Bild- bzw. Gestaltungselement: Der Punkt.

Für viele klingt das zuerst sicher sehr abstrakt und hat vermeintlich wenig mit der Fotografie zu tun. Doch schon bald wirst Du sehen, dass es gar nicht so schwer ist. Ich werde Dir zeigen, wie und wo Du überall Punkte siehst und warum es Sinn macht, diese zu suchen und für Deine Bildgestaltung zu nutzen.

Punkte kann man dabei im technischen und gestalterischen Sinne interpretieren. Beides wird, richtig eingesetzt, Dir zu besseren Fotos verhelfen und sie enorm verbessern.

Die Bildentstehung

Um ein Objekt visuell erfassen zu können, ist Licht nötig. Ganz gleich von welcher Lichtquelle es ausgeht, trifft dieses zuerst auf das Objekt, das wir sehen bzw. fotografieren wollen. Von dort wird es nun mehr oder weniger stark reflektiert. Diese reflektierten Lichtstrahlen gelangen zu unserem Auge oder zu unserer Kamera.

Hier wird das Licht durch ein Linsensystem gebrochen und trifft auf eine Fläche zur Bildaufnahme.

Man nennt sie Bildebene.

Auf ihr entsteht ein Abbild des beleuchteten Objektes. Im Falle unseres Auges ist die Bildebene die Netzhaut, in der analogen Fotografie der Film und in ihrem digitalen Pendant der Bildsensor.

Fotos basieren auf Bildpunkten

Jede dieser Bildflächen besteht aus vielen kleinen Elementen, die für sich genommen immer nur einen winzig kleinen Ausschnitt des Bildes wahrnehmen. Im technischen Sinne werden Sie oft Pixel, Bildpunkte oder Bildelemente genannt.

Erst durch die Vergrößerung des Betrachtungsabstandes entsteht aus diesem Punkthaufen ein Bild. Die Punkte verschwimmen sozusagen zu Linien, Flächen und bilden schlußendlich das Bild.

Jede Bildebene hat dabei eine gewisse Auflösung, die um so höher ist, je mehr Bildpunkte bzw. Pixel das gesamte Bild zusammensetzen. Und da eben auch unser Auge eine gewisse Auflösung hat, entsteht das obige Phänomen, bei dem Bildpunkte zu Bildern ab einem gewissen Betrachtungsabstand bzw. einer genügend großen Anzahl an Bildpunkten verschwimmen. Denn diese einzelnen Bildpunkte kann das Auge dann nicht mehr getrennt voneinander unterscheiden.

Die nötige Auflösung ist immer vom Anwendungsfall abhängig

Ohne nun an dieser Stelle zu sehr in die Tiefe gehen zu wollen, ist für uns folgende Ableitung daraus wichtig:

Je größer der Betrachtungsabstand ist, je geringer kann die Auflösung eines Bildes sein.

Auf technischer Ebene können Punkte im Sinne der Bildauflösung nur bis zu einem gewissen Maß Deine Bilder verbessern. Sobald der Abstand, ab dem man die Bildpunkte nicht mehr voneinander unterscheiden kann, überschritten ist, wird eine höhere Auflösung zu keiner weiteren Verbesserung führen.

Wenn Du also Dein Bild nur als Postkarte betrachtest, spielt es qualitativ keine Rolle, ob Du eine 6-Megapixel-Kamera oder eine 36-Megapixel-Kamera verwendet hast. Genauso verhält es sich mit dem weit verbreitetem Irrtum, dass man für Poster oder Wandbilder eine Kamera mit vielen Megapixeln benötigt. Da man große Bilder aus einem größeren Abstand betrachtet, bemerkt man eine niedrigere Auflösung des Fotos nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Foto durch die niedrige Auflösung verpixelt oder unscharf ist. Beides wird durch Vergrößerung des Betrachtungsabstandes kompensiert.

Der Punkt in der Gestaltung

Doch was für eine Rolle spielen Punkte in der Gestaltung? Hier ist wieder eine etwas abstraktere Sichtweise gefragt. Im letzten Artikel hatte ich bereits beschrieben, dass es bei der Bildgestaltung um eine gewisse Ordnung geht.

Eine Ordnung, die durch ihre Existenz ein Bild ästhetisch erscheinen lässt.

Und genau hier kommen die Gestaltungselemente, von denen zuerst der Punkt behandelt wird, ins Spiel. Man kann das Gesehene visuell grafisch abstrahieren. Dadurch entstehen u. a. Punkte dort, wo sich z. B. Linien kreuzen.

Ein Beispiel wäre ein Schiff auf dem Meer in der Ferne des Horizontes. Diese Horizontlinie wird durch das Schiff durchbrochen und es entsteht, abstrakt gesprochen, ein Punkt der Aufmerksamkeit.

Punkte können auch durch Kontrast- oder Farbunterschiede entstehen. Wenn man z.B. nachts auf einem Berg steht und eine Nachtaufnahme eines Tals visualisiert. Dort bilden die Lichter der Straßenlaternen, Häuser und Autos solche Punkte. Diese können sich sogar zu Punktwolken oder Gruppen formieren.

Der Punkt an sich kann verschiedene Formen haben. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Punkt selbst keine Richtung hat und sich durch sein Verhältnis zur Fläche definiert.

Keine Angst - diese grafisch abstrakte Sichtweise kann man lernen und es gelingt einem mit etwas Übung recht schnell.

Mir ging es am Anfang auch so, dass ich es nicht so recht verstand, dies in die Praxis zu übertragen. Aber genau das ist der Teil, den man nicht erklären kann. Denn diese Bildwirkungen lernt man nicht auswendig. Man muss durch Übung die Bildwirkung selbst spüren und erfahren, um ein Gefühl dafür zu entwickeln. Erst dann bekommt man seine eigene Sicht auf die Dinge. Und erst dann beginnt man intuitiv das Reale als zweidimensionale grafische Fläche zu sehen.

Danach versteht man viel besser, was hier in der Theorie eigentlich wirklich beschrieben wird. Das ist auch der Grund, warum ich an dieser Stelle bewußt auf viele Bildbeispiele zu verschiedenen Bildwirkungen verzichte. Du musst es selbst herausfinden und bitte bleibe hier am Ball, übe und probiere. Das ist auch schon mit Kaffeebohnen auf dem Küchentisch möglich.

Je nachdem, wie man diese Punkte im Bild anordnet oder platziert, können unterschiedliche Bildwirkungen erzielt werden. Das Bild kann dadurch z.B. leicht, schwer, traurig, bewegt, unruhig oder statischer wirken - um nur einige zu nennen. Und das musst Du nun mit Deiner Bildaussage kombinieren, um diese weiter zu verstärken.

Jedoch nicht nur die Lage des einzelnen Punktes kann die Wirkung beeinflussen. Auch und gerade das Zusammenspiel von mehreren Punkten wirft Fragen nach deren Beziehung und Lage zueinander auf.

So kann z.B. die geschickte Wahl eines Bildausschnittes Beziehungen von Punkten herstellen, wo sonst keine sind.

Ein visuelles Beispiel wäre ein Bildausschnitt von Handtüchern der Urlauber an einem Hotel-Pool, die zusammen eine Reihe bilden, auch wenn sie eigentlich sehr verteilt sind. Oder man bildet eine visuelle Zusammengehörigkeit zweier Personen aus geeigneter Entfernung, die in Wirklichkeit gar nicht direkt nebeneinander gestanden haben... Du merkst schon, dass man Punkte durchaus auch abstrakt auffassen kann und ich hier auch konkret die visuelle Beziehung mit einer Bildidee kombiniert habe. Und all das nur durch die grafische Abstraktion mit dem Gestaltungselement Punkt.

2. Lernregel: Versuche Dir vor jedem Foto die Szenerie grafisch abstrahiert vor Deinem geistigen Auge zu visualisieren.

Nimm Dir also einen kurzen Moment Zeit. Betrachte das Motiv und versuche Punkte als Gestaltungselemente zu identifizieren. Natürlich wird nicht jedes Motiv Dir diese Zeit lassen. Aber mit etwas Übung springt einem das bald schon ins Auge und man kann nun mit der Anordnung und den gewünschten Wirkungsweisen experimentieren.

Versuche immer möglichst alle Lernregeln in Deine Übungen einzubauen. Sie dienen als Hilfestellung und werden bald in Dein Unterbewusstsein übergehen.

2. Übung

Suche nun direkt in Deinem Umfeld Punkte im gestalterischen Sinne.

Experimentiere mit Anordnungen und Wirkungen. Wichtig ist es nun am Ball zu bleiben. Eine Idee könnte das obige Beispiel der Kaffeebohnen auf dem Küchentisch sein. Versuche auch dieses Mal mit Deinem Handy mehrere Fotos mit Variationen zu erstellen, die den Punkt thematisiert. Versuche also von der gleichen Szenerie Variationen zu erstellen. Platziere dabei den oder die Punkte anders in der Fläche oder deinem Bildformat.

Versuche auch Beziehungen mehrerer Punkte zueinander einzufangen. Mache Dir diesmal keine Gedanken über die Anzahl der Bilder. Suche Dir dann die schönsten und aussagekräftigsten heraus, bei denen Du etwas aus Deinen Experimenten für Dich gelernt hast.

Speichere Dir nun diese Bilder ab, damit Du Deinen Fortschritt immer vor Augen hast. Gern kannst du Deine Ergebnisse auch wieder auf Instagram mit dem Hashtag #lichtistenPunkt posten.

Ich bin gespannt! :)

Hier geht es nochmal zum Beginn der Serie: Training für bessere Fotos


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